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  • Autor: Valentine
  • Veröffentlichung: 03.11.2012 15:56
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November
2012

Gutenachtgeschichte

Charakter: Valentine, Rayciriel
Ort: Kinderzimmer

„Fern dieser Mauern, so sagt man, gab es einen Ort – reich von endlosen, freigewachsenen Auen, wie sie sich in die Ferne zogen, als wollten sie den Horizont erreichen, welcher so klar unter schneeweißen Wolken lag und bloß dann ein mattes Grau annahm, so er tränkenden Regen auf das Land herunterwarf.
Es war das stetige Gefühl von unbeschwerter Freiheit, welches dieses Land seinen Bewohnern schenkte und zum Dank schenkten sie sie auch ihm, um ihm bloß das zu nehmen, was sie für ein bescheidenes und doch einfach erfülltes Leben brauchten.“

Die roten Augen wanderten träge durch das winzige Gesicht, was ihm aus kindlicher Erschöpfung entgegensah, um seiner beruhigend monotonen Stimme zu lauschen, deren Worte sicherlich bloß zum Teil den noch so einfach gestrickten Verstand erreichten und vermutlich war sich Valentine der Regung gar nicht so recht gewahr, welche seine behandschuhten Finger in einem end- wie ziellosen Treiben über den noch so viel zarteren Handrücken streicheln ließ, dessen kurze Finger sich eine der längeren, roten Strähnen gefangen hatten, um sich nun an ihr festzuhalten.

„In jenem Land fanden sich einige, in harmonischem Abstand zueinander liegende Dörfer, wie sie aus einfachen Häusern und dürftig befestigten Wegen bestanden – Wind und Wetter aber doch zu trotzen wussten, so man hier und dort von der nachträglichen Reparatur eines Dachstuhles absah.
Eines von ihnen, wie es dicht an den Wäldereien und weit Südlich in einem schmalen Tal lag, in welchem sich der Sommer stets etwas länger hielt, hatte seit einigen Generationen einer Familie ein Heim geboten, wie sie sich des Tischlerhandwerkes verstand und damit mühelos ihren Standart einer Existenz sicherte,“

fuhr er fort, während sein Blick durch das Gesicht des Jungen hindurchzulaufen begann, um sich die Geschichte zu malen, wie er sie erzählte – oder aber in Erinnerung zu rufen.

„Zwei Söhne verzeichnete jüngste Generation jenes Handwerkergeschlechts – einer von ihnen um wenige Sommer älter, der Andere…,“

er hielt einen Moment lang nachsinnend inne, was ihn seine spröden Lippen zu dem Hauch eines vielleicht etwas wehmütigen Lächelns schmälern ließ,

„ … der Andere seit Anbeginn seines Denkens zu seiner Seite, hatte er trotz jeder Behauptung doch einfach gelernt, sich in seinem sicheren Schatten zu wissen, als wäre der stets das Letzte, was ihm einen Verrat bescheren könnte.
So vergingen die Jahre – die Brüder wurden älter… wurden unterschiedlicher und während der Jüngere zunehmend spürte, wie sich Etwas in seinem Innern ausbreitete, dessen er von Zeit zu Zeit keinerlei Kontrolle bieten konnte, war es die Liebe, die ihre weichen, schmeichelnden Finger nach dem Älteren reckte, um ihn eines Tages einfach zu überfallen, da er sich diesem Mädchen gewahr wurde, wie es jeher Haus an Haus mit ihnen gewohnt hatte – nun jedoch zu dieser jungen Frau herangewachsen war, der man eine unscheinbare Schönheit, einfach nicht absprechen konnte.
So fand einer von ihnen sein bis heute größtes Glück und der Andere… der Andere begann sie zu hassen – zu hassen für das, was sie im Begriff war ihm zu nehmen – seinen Bruder.“

Ein Absenken seines Fokus‘, als wäre es ihm nun, da er dieses Kind, über welches der lauernde Schlaf schleichend hereinbrach, in seinen Armen hielt, kaum möglich, diesem entgegenzusehen, obwohl ihm doch sicherlich gerade dort etwas wie eigene Vergebung, gegenüber finsteren Gedanken, hätte erteilt werden können.

„So begannen sich ihre Wege zu trennen,“

setzte er nach einem abermaligen Moment von Neuem an und nun lagen die kleineren Augen bereits geschlossen – wogen den ruhigen Atem in unergründliche Ferne, wo sie vielleicht Auen und Bäche zeichneten, in jedem Fall jedoch von unbedarftem Frieden getragen wurden.

„Der Weg des Jüngeren wurde von Erzählungen gekreuzt, wie sie aus dem Dorf selbst entsprangen und von einem ‚Zauberer‘ berichteten, dessen Fähigkeiten Bäcker wie Pastor in Staunen versetzten – sollte er doch die Elemente sein eigen nennen, um sich ihrer zu bedienen, wie sie auch unter Kontrolle zu bringen, wenngleich mancher dem, unter vorgehaltener Hand, als nicht mehr denn herausragende Taschenspielertricks abtat, gab es doch kaum Jemanden, der Schauspiele dieser Art tatsächlich mit eigenem Auge gesehen haben mochte.
Ich bin mir heute nicht mehr sicher, was ich damals glaubte oder glauben wollte – meine Eltern jedoch sahen damit die erste Möglichkeit, dem ein Ende zu machen, was mit mir so oft nicht stimmte – kam es doch mehr denn einmal vor, dass die ungehaltene Wut eines Kindes in meinem Fall dafür sorgte, dass ein Baumhaus in Brandt geriet, dessen Zutritt mir verwehrt wurde und ich kann mich gut daran entsinnen, wie die Werkstatt meines Vaters einmal zur Bühne für eine ‚mittelschwere Katastrophe‘ wurde, wie er das Ereignis selbst benannt hatte, von welchem ich nur mehr weiß, für wie ungeschickt er mich stets erklärt hatte, so es um seinen Beruf ging, für den ich mich ohnehin zu keiner Zeit interessiert hatte, ehe die Flammen uns zur Flucht zwangen und den Schuppen verschlangen.
Für mich war es somit an der Zeit, fortzugehen – davon bin ich jedenfalls überzeugt, wenngleich dem damals nicht so war und obwohl ich nicht sagen kann, was in dieser Zeit aus dem Älteren von ihnen wurde…,“

seine Lippen zogen sich zu einem kleinen, doch recht offenen Lächeln, während die Kante eines seiner Finger über die weiche Wange strich, die dort so friedlich ruhte,

„ … weiß ich doch ganz sicher, dass er von Neuem wacht – nicht über seinen Bruder, sondern über einen winzigen Engel.“



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